Wir wollen GEMEINSAM lernen!

Der Verband Kinder- und Jugendarbeit Hamburg e.V. und das Kampagnenbündnis Entschlossen OFFEN! haben eine gemeinsame Erklärung für mehr Bildungsgerechtigkeit und gegen die Bestrebungen der „Volksinitiative“ Wir wollen lernen verfasst, das längere gemeinsame Lernen von Hamburger Kindern zu verhindern:

Wir wollen GEMEINSAM lernen!
Für mehr Bildungs- und Chancengerechtigkeit

Der Verband Kinder- und Jugendarbeit Hamburg e.V. und das Kampagnenbündnis „Entschlossen OFFEN!“ unterstützen vorbehaltlos die Idee des möglichst langen gemeinsamen Lernens, wie es im Rahmen der Hamburger Schulstrukturreform angelegt ist und wie wir es bereits in unserer Veröffentlichung „Ein Pakt für Chancen- und Bildungsgerechtigkeit“ als notwendigen Schritt auf dem Weg zu einer Gemeinschaftsschule für Alle gefordert haben.

Die so genannte Initiative „Wir wollen lernen“ hingegen betreibt eine systematische Abgrenzung zu Kindern und Jugendlichen aus weniger privilegierten Familien, insbesondere auch zu denjenigen, denen es – ganz anders als den InitiatorInnen dieser Initiative – an ausreichenden Ressourcen für die privat finanzierte Förderung ihrer Kinder mangelt.

Aus Sicht der Kinder- und Jugendarbeit darf es in Hamburg keine Kinder geben, die nicht zur Schule passen. Vielmehr muss die Schulstruktur so gestaltet sein, dass sie zu allen Kindern passt, und zwar gleichermaßen zu armen wie reichen, deutschen wie ausländischen, mit vielfältiger und unterschiedlicher Begabung.
In diesem Sinne sehen wir das Vorhaben, Kinder im Rahmen von Primarschulen länger gemeinsam lernen zu lassen, als einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung.

Als Einrichtungen und MitarbeiterInnen der Kinder- und Jugendarbeit, die häufig mit Kindern und Jugendlichen aus marginalisierten Familien arbeiten, wissen wir um die Bedeutung einer gelingenden Schulbildung und um die Bedeutung eines gelingenden Aufwachsens von Kindern und Jugendlichen. Zu einem solchen Aufwachsen gehören förderliche Rahmenbedingungen in Schulen ebenso wie außerschulische Freiräume, die Kinder und Jugendliche selbstbestimmt und frei von Zwängen nutzen und gestalten können.

Kinder- und Jugendarbeit und Schule haben unterschiedliche gesetzliche Aufträge, historische Wurzeln und ihre jeweils eigenen Handlungsmaximen und Methoden der Arbeit. Diese Unterschiede gilt es zu respektieren und im konstruktiven, ggf. auch kritischem Dialog im Interesse eines gelingenden Aufwachsens einzusetzen.
Zu einem solchen, sozialräumlich ausgerichtetem Dialog erklärt sich die Offene Kinder- und Jugendarbeit ausdrücklich bereit.

„Notwendig für eine Erfolg versprechende, gemeinsam getragene Bildungs-Gerechtigkeits- Offensive von Jugendhilfe und Schule sind gemeinsam getragene Strukturveränderungen. (…) Eine Kooperation mit dem Ziel, Schritte einzuleiten, die schließlich Bildung für jedes Kind gleichermaßen erreichbar und zugänglich werden lassen sollen, braucht geeignete und belastbare Grundlagen; (…) braucht eine aufgabengerechte personelle und sachliche Basisausstattung der Schulen genauso wie funktionierende Stadtteileinrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit (…) und eine Kooperationskultur, die sich immer wieder die Frage stellt: was kommt bei den Kindern und Jugendlichen an?“
(Auszug aus der Veröffentlichung „Ein Pakt für Chancen- und Bildungsgerechtigkeit, http://tinyurl.com/bildungspakt)

Eine moderne, demokratisch strukturierte Schule, die für mehr Chancen- und Bildungsgerechtigkeit steht, braucht demokratische Entscheidungsstrukturen. Sie braucht Beteiligungsstrukturen auf allen Ebenen und unter Einbeziehung der Eltern und der Kinder und Jugendlichen.

In diesem Sinne verstehen wir die derzeit laufende Schulentwicklung als einen ersten Schritt hin zu einer demokratischen Gemeinschaftsschule für Alle; hin zu einem umfassend angelegten Prozess mit dem Ziel, Chancen- und Bildungsgerechtigkeit für alle Kinder, Jugendlichen und Familien zu realisieren.

Eine gemeinsame Erklärung des Verbandes Kinder- und Jugendarbeit Hamburg e.V. und des Kampagnenbündnisses „Entschlossen OFFEN“ zum Volksbegehren „Wir wollen lernen“ und der Hamburger Schulstrukturreform

+ Abenteuerspielplätze + Jugendclubs + Kinder- und Familienzentren + Häuser der Jugend + Mädchentreffs + Gemein-wesenarbeit + Spielhäuser + Jugendberatungszentren + Gästewohnungen für Kinder und Jugendliche + Medienprojekte + Stadtteilprojekte + Bauspielplätze + offene Sozialberatung + Spielmobile + Mädchenzentren + Straßensozialarbeit +

Kampagnenbündnis
Entschlossen OFFEN!
Offene Arbeit mit Kindern, Jugendlichen
und ihren Familien in Hamburg

Die gemeinsame Erklärung als PDF-Datei (351 KB)

2 thoughts on “Wir wollen GEMEINSAM lernen!

  1. Schade, dass hier einfach nur die ideologischen Graeben verteidigt werden – und blind auf die ideologische Gegenseite mit derartigen Erklaerungen geschossen wird. Es wird denjennigen, denen eigentlich Gutes getan werden soll, nicht gerecht.

    Beispiel: Laut BSB-Statistik (SuSi) hatte Wilhelmsburg-Veddel insgesamt 6785 Schueler – davon aber nur 759 am Gymnasium – ergo ganze 11% !!. Knapp 90% der Schueler im beispielhaften Problemstadtteil Wilhelmsburg – und solchen soll ja die Reform ja helfen – haben also gemeinsames Lernen. Dabei hat sich die Relation hier seit Jahrzehnten nicht geaendert – im Gegenteil, je weiter in der Vergangenheit, umso niedriger der Gymnasialanteil. Seit 1979 wird die hiesige Schullandschaft von Langformen der Gesamtschulen dominiert. Wilhelmsburg ist damit quasi eine Art langjaehriger Feldversuch als Studie, ob das laengere gemeinsame Lernen etwas wirklich bewirken kann oder nicht Tatsaechlich verlassen ueber 23% der Schueler (Sentatsanfrage Schulabgaenger 2007) die Schule ohne jeden Abschluss – und die Quote der Abiturienten bleibt weitgehend minimal bei um die 7,4% (ebenda) auf dem Gymnasium – und weiteren 7,4% dank der Oberstufe der hiesigen Gesamtschulen – das aber nur, weil ueber 1/3 davon auslaendische Schueler aus ganz Hamburg im integrativen Oberstufenprojekt sind.
    Damit ergibt sich das Argument vom „laenger gemeinsamen Lernen“ als leere Worthuelse.

    Was solche Stadtteile wie Wilhelsmburg wirklich brauchen, das sind konkrete Massnahmen fuer diesen Stadtteil. Beispiel: eigentlich muesste SOFORT die Kess-Einteilung der Schulen, welche zur Zeit nur im Grundschulbereich gelten, auf alle hiesigen weiterfuehrenden Schulen – egal welcher Schulform – uebertragen werden. Denn nur mit mehr Resourcen – mehr Lehrern, kleineren Klassen, mehr Sozialpaedagogen – kommt hier etwas an.

  2. Vielleicht können wir uns ja darauf einigen, dass längeres gemeinsames Lernen allein sicherlich nicht ausreicht sondern weitere Verbesserungen im Bildungswesen wie seiner Einbettung in die Gesellschaft notwendig sind (wie wir dies ja auch in unserem Papier „Pakt für Chancen- und Bildungsgerechtigkeit“ geschrieben haben)?
    Da die Initiative „Wir wollen lernen“ sich jedoch vornehmlich genau gegen dieses gemeinsame Lernen wendet (und nicht etwa durch die Forderung nach besseren Lernbedingungen für sogenannte benachteiligte Schüler in Erscheinung getreten ist), liegt es doch nahe, diese Hauptforderung herauszugreifen und sich ihr entgegen zu stellen, oder? 😉

    Was die Wilhelmsburger Gegebenheiten angeht, ist es sicher unstrittig, dass die nicht optimal sind und eine Verbesserung der Bildungschancen für Kinder- und Jugendliche aus Veddel und Wilhelmsburg dringend notwendig ist. Die Ursache dürfte aber weniger im angeblich längeren „gemeinsamen“ Lernen in den Schulen der segregierten Stadtteile liegen. Anscheinend ist dort streckenweise eher eine Vorwegnahme des getrennten Lernens zu beobachten (gewesen?). Hier eine Betrachtung aus Elternsicht hierzu: http://www.darijana-hahn.de/schule/.
    Und dass auch von Seiten der Schulbehörde (siehe Tor zur Welt Wilhelmsburg) wie vor allem mit der IBA verstärkt daran gearbeitet wird, Wilhelmsburg „aufzuwerten“ zeigt ja bei aller Umstrittenheit dieser Maßnahmen und allen Verdrängungsbefürchtungen immerhin, dass hier nicht alles so bleiben soll, wie es ist…

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