Offener Brief der Offenen Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Familien

HAMBURG BRAUCHT DIE OFFENE ARBEIT MIT KINDERN, JUGENDLICHEN UND FAMILIEN

Mit der Neuwahl der Bürgerschaft und der Bezirksversammlungen am 20. Februar verbinden viele Menschen in Hamburg die Hoffnung auf einen politischen Wandel. SPD, GAL und DIE LINKE warben im Vorfeld der Bürgerschaftswahl für eine sozial gerechte Politik. Genau das fordern wir, die Beschäftigten in den Einrichtungen der Offenen Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Familien, ein.

Jedes 4. Hamburger Kind, das sind 55.000 junge Menschen unter 15 Jahre, wachsen in Armut auf und erhalten lediglich eine Mindestsicherung nach SGB II. Im Bezirk Mitte sind es sogar 41,6 Prozent aller Kinder! Viele von ihnen und auch viele ältere Jugendliche in ähnlicher Situation zählen zu den StammnutzerInnen der Einrichtungen der offenen Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Familien. Abenteuer- und Bauspielplätze, die Häuser der Jugend, Jugendclubs, Spielmobile, Kinder- und Familienzentren, Gemeinwesenzentren, Spielhäuser sowie geschlechtsspezifische Angebotsformen leisten eine vielseitige wie pädagogisch wertvolle Arbeit. Sie sind ein unverzichtbarer Bestandteil der Jugendhilfe und der kindlichen Lebenswelt. Ihre Angebote orientieren sich stets an den Bedürfnissen, Interessen und Lebenssituationen der Kinder und Jugendlichen und Familien.

Hier können Kinder in betreuter Form, eigenständig und in der Gruppe ihre Persönlichkeit und ihre Fähigkeiten entwickeln. Der Zugang zu diesen Einrichtungen erfolgt freiwillig und selbstbestimmt. Mehrere Zehntausend Kinder und Jugendliche werden dort landesweit betreut. Sie spielen, treffen sich, holen sich Rat und Unterstützung, lernen ständig im Umgang mit anderen, beim Experimentieren, in Theatergruppen, in Musikprojekten, beim Filmen, bei Fahrradreparaturen, beim Klettern oder beim Hüttenbau.

Ähnliches gilt für Einrichtungen der Familienförderung und Teile der Sozialräumlichen Angebotsentwicklung in denen insbesondere Eltern alltägliche Unterstützung erfahren.

Solche Einrichtungen machen Kinder und Jugendliche stark, geben ihnen die Mittel in die Hand, das Leben selbstständig und selbstbewusst zu führen. Sie leisten überdies einen wichtigen Beitrag für Familien, beim Ausgleich struktureller Benachteiligungen und der Stärkung ihres Selbsthilfepotenzial. Ein hoher Prozentsatz der BesucherInnen, Groß wie Klein, hat eine familiäre Migrationsgeschichte. Der integrative Beitrag der pädagogischen Arbeit dieser Einrichtungen ist bedeutend.

Die offene Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Familien weiß um die strukturellen sozialen Benachteiligungen, denen diese ausgesetzt sind. Das Aufwachsen der Kinder und Jugendlichen in Armut, unzureichender Zugang zur Bildung, schlechte Ausstattung von Schulen und Jugendhilfeeinrichtungen sowie die mangelnde Perspektive, später in ein Beschäftigungsverhältnis zu gelangen, sind gesellschaftliche Zustände, mit denen in der offenen Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Familien nachhaltig und professionell umgegangen wird. Sie setzt in ihrer Arbeit an den Stärken und Fähigkeiten der Nutzer und Nutzerinnen an und fördert sie mit vielfältigen Angeboten und Maßnahmen.

Diese häufig hoch frequentierten Einrichtungen weisen ein mitunter frappierend schlechtes Mitarbeiter(innen)-Kind-Verhältnis auf. Durchschnittlich 1,5 Vollzeitkräfte stehen für 40 bis 100 Kinder und Jugendliche zur Verfügung, die täglich die Einrichtungen aufsuchen.

An die offene Arbeit sind in den letzten Jahren immer wieder neue Anforderungen herangetragen worden. Beispielhaft seien hier genannt, der Ausbau der Kooperationen mit Schulen und anderen Einrichtungen, die Auseinandersetzung mit Sucht- und Gewaltproblematiken, die Arbeit im Bereich von möglichen Kindeswohlgefährdungen sowie die Weiterentwicklung der Arbeit im Kontext der sozialräumlichen Angebotsentwicklung. Diesen Anforderungen hat sich die Offene Arbeit stets gestellt. Mit ihrer Verortung im Stadtteil und damit ihren verlässlichen Zugängen und ihrer vernetzten Arbeit stellt sie ein wichtiges Element der Jugendhilfe dar. Diese Arbeit muss gestärkt und ausgebaut werden. Gerade die Nichtspezialisierung der Offenen Arbeit, bzw. Einengung auf bestimmte Themenfelder, sondern die Offenheit und Vielfalt zeichnet die Offene Arbeit aus und macht ihre Qualität aus. Diese könnte auch genutzt werden, um stärker als bisher Alternativen zu den meist hochschwelligen Hilfen zur Erziehung zu schaffen.

Hierfür braucht es aber insgesamt eine vernünftige Ausstattung der Einrichtungen und entsprechende Ressourcen.

DESHALB FORDERN WIR EINEN POLITIKWECHSEL BEZÜGLICH DER OFFENEN ARBEIT MIT KINDERN, JUGENDLICHEN UND FAMILIEN:

  1. Mindestens 10 % des Hamburger Jugendhilfe-Etats sollte grundsätzlich für die Offene Kinder- und Jugendarbeit bereit gestellt werden, um eine ausreichende personelle und materielle Versorgung sicherzustellen! So, wie es in Berlin in § 8 des Landesausführungsgesetzes verbindlich festgelegt ist. Damit könnte der längst überfällige Ausbau der Offenen Kinder- und Jugendarbeit realisiert werden.

  1. Nach wie vor gibt es über 50 Einrichtungen, die mit weniger als 1 Personalstelle ausgestattet sind. Wir brauchen in Hamburg verbindliche Mindeststandards hinsichtlich der personellen und materiellen Ausstattung in den offenen Einrichtungen.

  2. Frei werdende Personalstellen sollen wieder besetzt und nicht wie in den letzten Jahren bewirtschaftet werden, was sich in der Praxis wie eine Stellenstreichung auswirkte.

  1. Wir fordern die Rücknahme aller im letzten Jahr erfolgten Kürzungen in der bezirklichen Jugendarbeit.

  1. Ein verbindliches Mitsprache- und Mitgestaltungsrecht der Offenen Kinder- und Jugendarbeit und anderer Einrichtungen der offenen Arbeit in der Jugendhilfeplanung!

Bündnis für Kinder, Jugendliche und Familien